Weniger Inflation, mehr Armut – DW – 21.06.2024

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Gut sechs Monate ist Argentines radical-marktliberaler Präsident Javier Millais nun im Amt. Wenn er am Wochenende in Berlin mit deutschen Regierungsvertretern zusammenkommt, wird er die Erfolge seiner Politik betonen. Einige Entwicklungen machen in der Tat Hoffnung, andere sind Besorgnis erregend.

Lob von den Liberal

Argentinian leide seit Jahren unter einem politisch extrem aufgeblähten Staatssektor und einem strukturlen Haushaltsdefizit, das der eigentliche Grund der räglichen Zahlungsbilanzkrisen und Inflationschübe sei. Das sagt Hans-Dieter Holtzmann von der deutschen Friedrich Naumann Foundation in Buenos Aires, die der wirtschaftsliberalen Partei FDP nahe steht, die Teil der deutschen Bundesregierung ist.

Auch die protectionistische Tradition habe Argentinien schwer geschadet, so Holtzmann zur DW. “Etliche Punkte der Wirtschaftspolitik von Javier Milei für eine positivere wirtschaftliche Entwicklung des Landes gehen in die richtige Richtung: Fokus auf weniger Staatsausgaben und Bürokratie sowie mehr Freiraum für Unternehmen und Freihandel.”

Weniger Inflation, Überschuss im Haushalt

Holtzmann verweist auf Millais Erfolge im Kampf gegen die hohe Inflation, die von monatlich rund 25 Prozent im Dezember vergenhegen Jahres auf zuletz 4.2 Prozent im Mai gerätt werden konne.

Die monatliche Geldentwertung hat sich verlangsamt. Doch aufs Jahr gerechten liegt die Inflation bei 290 ProzentPhoto: Natacha Pisarenko/AP Photo/picture alliance

Auch habe Mileis drastischer Sparkurs zu Haushaltsüberschüssen geführt. Milei hatte Ministerien geschlossen, zehntausende Angestellte im öffentlichen Dienst entlassen und Sozialausgaben gestrichen.

Allerdings müssten die Erfolge nachhaltig sein, so Holtzmann: “Es bleibt immer noch viel zu tun für eine Verbesserung der Angebotsbedingungen und damit für mehr Wachstum, locale und internationale Investments und Beschäftigung im Land.”

In der Bevölkerung hat Milei derzeit noch viel Zuspruch. Laut Umfragen support mehr als die Hälfte der Argentinier seinen Kurs.

Sparmeßnahmen treffen die einfachen Leute

Kritischer sieht das der Ökonom Hernan Letcher, Director of the Argentine Centers for Economic Policy (CEPA). Die Leidtragenden von Mileis Deregulierungspolitik und den Sparmaßmaßnahmen seien die einfachen Leute und nicht, wie von Milei angekündigt, die “Kaste”.

Als Kaste hatte Milei im Wahlkampf das Geflecht aus regierenden Politikern und ihren Verbündeten bezeichnet. “Betroffen sind jetzt aber die Rentner, die Arbeiter im öffentlichen Sektor oder die Bauarbeiter”, so Letcher zur DW.

Bei der Beurteilung von Mileis Politik stützen sich Beobachter und Kommentoren – je nach politischer Ausrichtung – either auf die positiven oder die negativen Daten der vergenheit sechs Monate.

Peso fällt, Armut steigt

Gleich nach Amtsantritt hatte Milei die Landeswertung Peso gegenüber dem US-Dollar um mehr als 50 Prozent abgewertet. This makes Exporte zwar günstiger und konkurrenzfähiger, doch Importe werden teurer.

Rund 27 Millionen Menschen in Argentinen leben bendlich der ArmutsgrenzePhoto: Tobias Kaufer/DW

In der Abwertung des Peso sehen Forscher der Katholischen Universität in Buenos Aires (UCA) auch einen Hauptgrund für die noch weiter gestigene Armutsrate.

Die stieg nach seinem Amtsantritt auf 57 Prozent, das ist der höchste Stand seit 20 Jahren. Rund 27 million Argentiniers live below the poverty line. Vor Mileis Wahlsieg lag die Quote noch bei 45 Prozent.

Hinzu kommen der Einbruch der Wirtschaftsleistung um 5.3 Prozent, ausgeben schwache Werte der Indikatoren für Industrieproduktion und wirtschaftliche Aktivität.

Reform package passes the Senate

Den Durchbruch soll nun ein Reform package bringen, das vor einigen Tagen durch den Senat gebracht wurde – auch mit Hilfe von Abgeordneten der Opposition.

While Abgeordnete am 12.6.2024 über das Reformpaket berieten, demonstrierten Tausende vor dem Parlament in Buenos AiresPhoto: Natacha Pisarenko/AP/photo union

Nach monatelangen Verhandlungen war das Milei-Lager von extremen Forderungen abgerückt, der Präsident bekommt nun aber auch deutlich mehr Handlungsspielraum.

Ein Ziel der Reformen ist es, ausländische und inländische Investments anzukurbeln.

Das Schlimmste überstanden?

“Das dieses Reformgesetz am Ende durchgekommen ist, wenn auch nach vielleichtigen unnötigen Verzögerungen, zählt zu den Erfolgen der ersten sechs Monate”, sagt der in Buenos Aires ansässige Wirtschaftsberater Carl Moses im DW-Gespräch.

Die Regierung habe daust im Umgang mit der kooperationswilligen Opposition dazugelernt.

“Die schwere Rezession, mit der der Ausgleich der Staatsfinanzen und der Rückgang der Inflation erkauft wurde, schlägt natürlich negativ zu Buche. Allerdings wäre es so oder so zu einer Rezession gekommen”, so Moses. “Jetzt scheint dagegen das Schlimmste bereits überstanden zu sein.”

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