Rosatom droht Siemens Energy mit Klage – DW – 09.01.2025
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Der russische Staatskonzern Rosatom will einen deutschen Hersteller verklagen, weil dieser bestellte Ausrüstung für ein in der Türkei geplantes Atomkraftwerk bislang nicht geliefert hat. Das AKW Akkuyu ist das erste Kernkraftwerk des Landes – gebaut von Rosatom. Deren Chef Alexej Lichatschow erhob am 4. Januar im russischen Fernsehen schwere Vorwürfe gegen den deutschen Zulieferer. Dabei verwies er auf das Unternehmen Siemens, obwohl es sich eigentlich um ein anderes handelt – nämlich um Siemens Energy.
“Wir haben entsprechende Medienberichte wahrgenommen, eine Klage liegt uns derzeit jedoch nicht vor”, schreibt dazu auf DW-Anfrage der Pressesprecher von Siemens Energy, Tim Proll-Gerwe. Siemens Energy war einst die Energietechniksparte des deutschen Technologieriesen Siemens. 2020 wurde sie aber in ein eigenständiges Unternehmen umgewandelt und an die Börse gebracht. Heute besitzt der Mutterkonzern lediglich noch 17 Prozent Anteile an der einstigen Tochter, die, sollte es zu einem Gerichtsverfahren kommen, dann auch zur Verantwortung gezogen würde.
Langes Zögern deutscher Behörden
Proll-Gerwe bestätigt ferner gegenüber der DW, dass Siemens Energy eine gasisolierte Schaltanlage liefern sollte, die benötigt wird, um das Atomkraftwerk an das türkische Stromnetz anzuschließen. Der entsprechende Vertrag sei 2020 mit der russischen Firma Electroautomatika geschlossen worden – gut zwei Jahre vor Ausbruch des Ukraine-Krieges. Die Firma aus St. Petersburg beliefert laut eigener Website mit ihren Produkten regelmäßig Unternehmen des Staatskonzerns Rosatom.
Allerdings habe Siemens Energy “lange Zeit” auf die Exportgenehmigung des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) warten müssen, erläutert der Pressesprecher. Er betont, dass sich sein Unternehmen “selbstverständlich” an alle Vorschriften halte. Mittlerweile, so Proll-Gerwe, würden “alle erforderlichen Genehmigungen zur Ausfuhr der Komponenten durch die zuständige Behörde vorliegen”. Siemens Energy könne allen vertraglichen Verpflichtungen nachkommen, “sofern der Kunde das noch möchte”.
Womöglich ist aber längst Ersatz für die Produkte von Siemens Energy gefunden worden und Rosatom will nun vor Gericht eine Entschädigung erreichen. Darauf zumindest deuten Alexej Lichatschows Worte hin, der von “zusätzlichen Ausgaben für die Anschaffung von Ausrüstung und einer Anpassung der Einbau-Termine” sprach und nicht ausschloss, dass “Ansprüche geltend gemacht werden”.
Offenbar will man in Moskau so auch die Schuld für die stark verzögerten Bauarbeiten in der Türkei zumindest teilweise auf Siemens Energy und damit auf Deutschland schieben. Denn der Vertrag zum Bau des Kraftwerks war noch 2010 unterzeichnet worden. Der Grundstein für den ersten Kraftwerksblock wurde 2018 gelegt. In Betrieb gehen wird der erste Reaktor aber frühestens 2025, der vollständige Bau soll laut jetziger Planung frühestens 2028 fertig sein.
Kommt der Ersatz aus China?
Bei dem Ersatz handelt es sich wohl um chinesische Produkte. Der türkische Energieminister Alparslan Bayraktar hatte jedenfalls noch im September 2024 erklärt, Rosatom habe “eine alternative Bestellung in China aufgegeben”. Wie die russische Agentur Interfax schreibt, hatte der russische Vizepremier Alexander Nowak im Oktober erklärt, bei “befreundeten Ländern” sei Ersatzausrüstung gekauft und diese zum Teil bereits an das AKW Akkuyu geliefert worden.
Es lässt sich nur vermuten, warum das Genehmigungsverfahren der deutschen BAFA so lange dauerte. Der Export anderer Komponenten werde deutlich schneller genehmigt, berichtete der deutsche Nachrichtensender ntv im September 2024 unter Berufung auf Siemens Energy.
Rechtsstreit, aber kein politischer Skandal
Aber dürfen deutsche Unternehmen in so einem sensiblen Bereich wie der Atomkraft überhaupt noch mit russischen Firmen zusammenarbeiten? Auf eine entsprechende Frage der DW antwortete Tim Proll-Gerwe: “Siemens Energy hat frühzeitig alle Aktivitäten in Russland beendet und unterhält dort keine Vertragsbeziehungen mehr. Lediglich an gültige Altverträge, die vor Beginn des Krieges in der Ukraine abgeschlossen wurden, muss sich Siemens Energy halten. Dies geschieht aber natürlich stets im Einklang mit geltenden Sanktionen und exportkontrollrechtlichen Beschränkungen.”
Wenn das BAFA nun eine Ausfuhrgenehmigung erteilt hat, heißt das, dass die Lieferung der Ausrüstung ans türkische AKW formal weder gegen die in Deutschland geltenden Exportbeschränkungen noch gegen die Russland-Sanktionen der EU verstößt. Doch Rosatom wird auf chinesische Ausrüstung zugunsten deutscher wohl nicht mehr verzichten und China wird dies auch nicht zulassen. Siemens Energy steht daher nun ein Schiedsverfahren bevor. Wenn im Laufe der Zeit eine Strafe gezahlt werden muss, könnte Berlin einem so systemrelevanten Unternehmen notfalls auch helfen. So stellte die Bundesregierung beispielsweise im Herbst 2023 Siemens Energy staatliche Kreditgarantien in Höhe von insgesamt 7,5 Milliarden Euro für wichtige Energieprojekte zur Verfügung.
Adaption aus dem Russischen: Markian Ostaptschuk
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